Die Verwandlungen der Welt

“An Stelle von Heimat halte ich die Verwandlungen der Welt”

Nelly Sachs (1891 – 1970)

Bei Ihrer Nobelpreisrede zitierte sie nur diesen Satz von sich.

Er sagt alles über Flucht und Vertreibung, über die glühenden Rätsel und die Wohnungen des Todes.

Die Heimat ist verloren, definitiv.
An ihre Stelle sind die Verwandlungen der Welt getreten.
Ich stelle mir das so vor, wie wenn ein kleines Blatt vom Dampfer fällt, gestoßen wird, gefegt wird und dann im Auf- und Ab der Wellen bleiben muss.
Zu Nelly Sachs Lebenszeiten waren die Verwandlungen der Welt fürchterlich und ob sie heute global gesehen viel besser sind, ist auch noch zu klären.

Sachs blieb relativ lang in Berlin, bevor sie mit ihrer Mutter fliehen konnte. Nach Schweden, wo sie über einen jahrelangen Briefwechsel mit Selma Lagerlöf einen Kontakt hatte, über den sie gerettet werden konnten.
Vom großbürgerlichen Zuhause in ein fremdes Land, in beengte Verhältnisse, eine andere Sprache und das als Jüdin zu der sie gestempelt wurde. Sie mußte sich damit beschäftigen mit der jüdischen Mystik und Antworten finden, die es nicht gibt.
So eben Worte in einer Sprache, die sie vernichten wollte. Also gab sie dieser Sprache die dunklen Töne. Nur sie war ihr geblieben.
Und diese Sprache ist noch sprechbar, auch dank ihr.

Huida y transformación : [edición bilingüe] / Nelly Sachs. Trad. y ed. de Antonio Bueno Tubía. En colab. en el orig. alemán con Emily Pütter